Europäischer Preis und Masters Cup 2023 in Bracciano

 

Nachdem leider der Plan eines in Deutschland ausgerichteten Masters Cup (sowas wie die inoffizielleWeltmeisterschaft der Amateur- oder ehemaligen Proficrews) aufgrund von Uneinigkeiten zwischen der Internationalen Klasse und dem Ausrichter geplatzt war, wurde auf die schnelle mit nur wenigen Monaten Vorlaufzeit vom 1.8.-5.8.2023 eine Ersatzveranstaltung in Bracciano bei Rom auf die Beine gestellt.

Vorab schonmal: die Veranstalter haben großartige Arbeit geleistet und eine rundum
gelungene Veranstaltung hinbekommen.
Für uns ging es aufgrund der nicht ganz unerheblichen Entfernung (1500km waren zu fahren) schon etwas früher los. Der Plan sah vor, spätestens am 31.7. in Bracciano anzukommen, um vorher noch etwas trainieren zu können, was eine Fahrt über das Wochenende möglich machte. Ein Wochenendedavor war jedoch noch die Regatta in Langen bei Frankfurt zu absolvieren, und mobilem Arbeiten sei Dank haben wir uns entschlossen, die Woche nicht wieder nach Braunschweig zu fahren, sondern im Camper zu arbeiten.

Also noch Verwandschafts- und Kollegenbesuch bei Frankfurt bzw. Stuttgart eingeplant und los gings. Etwas Stress verursachten noch die in Langen abgerissenen Schwertlippen,
aber Ziegelmayer hat eine Ersatzlieferung trotz WM-Stress noch pünktlich auf die Reise schicken können.
Der Freitag kam und die Fahrt nach Bracciano begann pünktlich nach Feierabend mit einer Etappe von Stuttgart nach Füssen. Ein Stellplatz für die Nacht war mit einem Wanderparkplatz auch schnell gefunden, das Zeitalter von Geheimtipps ist definitiv vorbei. Man findet nahezu jeden möglichen (Nacht-)Stellplatz über Google und/oder entsprechende Apps.
Weiter gings am Samstag, ohne konkretes Etappenziel, mal schauen, wie weit wir kommen. Die Einreise nach Österreich muss natürlich mit Beachtung der lokalen Gepflogenheiten erfolgen, eine Kette sicherte ab jetzt den Anhänger an das Zugfahrzeug.
Von Füssen über Innsbruck und die Brennerautobahn hoch. Mit dem Boot über die Alpen. Wenn das jemand Hannibal erzählen könnte…

Die Staatsgrenze nach Italien war schnell erreicht, weswegen die
lokalen Besonderheiten wieder beachtet werden mussten. In Italien ist bei überhängender Ladung ein spezielles 50cm x 50cm großes Metallschild vorgeschrieben. Weil sowohl Boot als auch Mast über den Anhänger hinausragen, kamen wir da nicht drum herum.

Den Mast hatten wir einem befreundeten Paar in Langen mitgegeben, die den für uns nach Bracciano transportieren würden (ich wollte den Mast nicht unnötig mit dem Schild belasten). Eine aufwändig konstruierte Halterung ermöglichte die Anbringung ebenjenes Schildes sowohl am Heckspiegel des Bootes, als auch später für die Rückfahrt am Mast selbst.

Dafür konnte formal die Kette wieder abgenommen werden, das Risiko besteht wohl nur in Österreich. Vielleicht lässt sich da noch was harmonisieren.

 

Runter auf der anderen Seite und Maike bekam ganz leuchtende Augen, stammt doch ihr Vater aus Bozen und wir fuhren mehr oder minder direkt dran vorbei. Meine Augen leuchteten auch, war doch die ganze Beschilderung neben italienisch auch auf Deutsch.

Eine angedachte Übernachtung am Kalterer See fiel leider mangels freien Stellplatzes aus, es ging also weiter bis Modena, wo uns ein Parkplatz in Stadtnähe einen Ausflug in die Innenstadt ermöglichte. Die Temperaturen stiegen schon deutlich an, weswegen die Innenstadt um 23:00 Uhr auf dem Rückweg vom Essen hellerleuchtet und lebhaft voll war.
Ein Check der noch verbleibenden Strecke machte eine Anreise bereits einen Tag früher möglich, der Campingplatz hatte ebenfalls nichts dagegen, so dass die letzte Etappe direkt nach Bracciano führte.
Als Hinweis an alle, die mal vorhaben dahin zu fahren: bitte unbedingt den Umweg über die
Ringautobahn von Rom nehmen, die von Google vorgeschlagene Route führt über eine Straße, die eher ein Feldweg ist. Wir waren vorgewarnt, aber leider wussten das nicht alle.
In Bracciano angekommen begrüßte uns ein wundervoller, riesiger See, der in einer Caldera liegt, also ein ehemaliger Vulkankrater ist. Zeltplatz und Segelverein lagen direkt nebeneinander, der Campingplatz bot ausreichend Schatten und war zudem nahezu leer.

Der Abend wurde genutzt, um das Boot aufzubauen. Es gibt schließlich einen erkennbaren Grund, warum auch Italiener zur Siesta neigen. Zwischen 13 und 15 Uhr möchte man nicht freiwillig in der Sonne stehen, geschweige denn arbeiten müssen.

 

Montag war freies Training angedacht, aber für uns hieß das Schwertlippen runterkratzen und neue draufmachen. Super Beschäftigung für einen Urlaub, vielen Dank an Maike für Hilfe, Schatten, Motivation, Geduld und Verständnis.
Dienstag stand die Vermessung an, also Mast wieder runter und wiegen. 120,6kg bei geforderten 120kg klingen doch ganz gut, nachdem die Vermessung in Ungarn ein Jahr zuvor 300g zu wenig ergeben hatte.

Ein Vorbereitungsrennen wurde auch angeboten, leider ließ sich dafür keine Ergebnisliste auftreiben. Mittwoch also erster Renntag, es ging italienisch pünktlich aufs Wasser.

49 Boote waren angereist, weshalb standardmäßig mit Uniform gestartet wurde. Im ersten Lauf gleich mal ein gutes Gefühl gehabt, Platz 20 sollte es am Ende sein.

Der zweite mit Platz 38 sollte unser Streicher werden. Im dritten wollte uns ein italienisches Boot das Wegerecht nicht einräumen, der eingereichte Protest wurde zu unseren Gunsten entschieden. Außerdem brauchte ich noch Übung für meine Rolle als Schiedsrichter bei der IDM der 2.4mr im September.

 

Am zweiten Tag haben wir leider (weil die Verhandlung des Protests erst am Donnerstagmorgen war) das Auschecken vergessen, weshalb es einen Strafpunkt im 4. Lauf gab und den 23. Platz zu einem 24. machte.

Die beiden nächsten Läufe waren für uns das Highlight. Im 5. Lauf sind wir vor ehemaligen
Weltmeistern ins Ziel gekommen (die sind am goldenen 470-Logo im Segel zu erkennen)! Platz 14! War selbstredend deren schlechtester Lauf (mit Abstand!), aber danach fragt ja zum Glück niemand.
Wie kam es dazu? Ein nicht wirklich guter Start hat uns das Wenden noch auf der Startlinie
ermöglicht, wohingegen viele andere scheinbar im Pulk feststeckten und auf die falsche Seite fuhren. Plan also für den 6. Lauf: wieder schnell wenden und nach rechts fahren. Gesagt, getan, und hui, so fühlt sich das also an, wenn man als erster das Luvfass rundet.

Natürlich dürfen Weltmeister und ehemalige Olympia-Teilnehmer uns auf dem Weg zum Lee-Tor überholen. Aber auch nur die, am zweiten Luvfass sind wir noch auf Platz 3.

Zwei weitere Teams, die uns auf dem Weg zum Ziel noch überholen sorgen für einen 6. Platz in diesem Lauf, den ich mit einem Sprung von Bord feiern kann, bevor wir schnell zurücksegeln, um den Erfolg nicht durch einen Strafpunkt zu mindern.
Diese Tage waren durch den vorherrschenden thermischen Wind gekennzeichnet, der ziemlich zuverlässig zwischen 14 und 15 Uhr aufkommt und den See mit 6-12kt Wind belebt. Geholfen hat sicherlich, dass der Wind ähnlich wie am Arendsee zu sein schien, etwas weniger drehend, die Böen kamen uns aber sehr vertraut vor. Temperaturtechnisch muss Arendsee noch etwas aufholen, die etwa 33° führten auch zu sehr warmem Wasser.


Die Italiener guckten etwas verdutzt, als es am Freitag anfing zu regnen, was für die Region wohl extrem ungewöhnlich ist. Der Wind hatte für heute mächtig aufgedreht, in Böen waren im 9. Lauf wohl deutlich über 20 Knoten zu messen. Die Plätze 24, 31 und 31 zeigen, dass wir wohl noch etwas Starkwindtraining vertragen können. Die lange Wartezeit zwischen Lauf 9 und 10 hat auch nicht gerade zur Konzentration beigetragen, aber die Wettfahrtleitung hat sicherlich getan, was möglich war.

 

Insgesamt haben wir einen tollen 26. Platz erreicht, über den wir uns sehr gefreut haben. In
unserer Altersklasse sind wir auf Platz 9/15 gekommen.

 

Wir haben dann noch unsere Zeit auf dem Campingplatz und im Verein verlängert (mehrfach), so dass wir 3 Wochen nahezu jeden Tag segeln konnten. Ein Abstecher mit dem Zug nach Rom inklusive Besuch des Petersdoms sowie der Caracalla-Thermen war auch das frühe Aufstehen Wert. Auch wenn der Zug dann doch erst eine Stunde später fuhr.
Die Rückfahrt wurde mit Anbringung des Schildes am Mast begonnen. Lokale Gepflogenheiten.

Die erste Etappe führte uns nach Bologna in ein tolles kleines Restaurant, in dem wir lernten, dass das Gericht eigentlich mit Tagliatelle und Schmorfleisch gemacht wird. Die Amerikaner waren nur zu faul dafür, also gibt es das heute mit Hackfleisch und Spaghetti. Das Original schmeckt aber besser. Weiter gings nach Venedig, es waren schließlich noch drei Tage bis zum verabredeten Treffpunkt bei Villach zu verbringen, damit Maike weiter nach Kroatien reisen konnte. Tolle Stadt, leider etwas von Touristen wie uns überlaufen, gelohnt hat es sich trotzdem.

Danach war die Heimreise unspektakulär, aber irgendwas ist ja schließlich immer.


Maike & Björn